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THEMA: Zu mir und "Aljoscha"

Zu mir und "Aljoscha" 06 Mai 2014 13:22 #718

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Dein Roman wandelt sich also im Laufe der Ereignisse was das Genre/den Schwerpunkt angeht? Es ist bis zu einem bestimmten Abschnitt philosophisch/weltanschaulich und wandelt sich später zu einer Liebesgeschichte? Irgendwie bin ich jetzt verwirrt? Wo ist da der rote Faden? Irgendwie habe ich etwas in den völlig falschen Hals gekriegt, oder?

Das kann ich mir gut vorstellen. Beide Seiten, Gläubige und Atheisten, aus einer Person heraus gegenübergestellt, ist beinahe unparteiisch und somit um so glaubwürdiger. (Wissen kann ich es nicht, denn ich habe Dostojewski nie gelesen.)

"... je zuversichtlicher man seinen Weg geht, desto offener und angstfreier kann man sich die Gedanken des anderen einlassen und sich auch hinterfragen lassen."

Das ist vollkommen richtig, doch mit dieser Entwicklung wirst du auch zu einem immer schlechteren Christen. Heißt es da nicht: Gottes Wege sind unergründlich? Alles was "Gott" dir antut hat einen Grund, den du nicht hinterfragen darfst/kannst. Gott ist allwissend und vollkommen. Und wenn dir manche seiner "Prüfungen" ungerecht vorkommen, bist du eben nur zu unwissend, um es zu verstehen. Glaube, denn nur der Glaube (nicht das Wissen oder das Streben danach) beweist deine christliche Seele?

Letztendlich basiert doch auch der Glaube, wie jede Machtstruktur, unter anderem auf Angst. Hier auf Angst vor der Hölle oder Bestrafung durch Gott. Also, wenn du weniger Angst hast, bist du um so weniger ergeben. Ja, kannst sogar zur rebellischen Gefahr werden, gerade weil für "Gläubige", "Unwissende" mit deiner Toleranz glaubwürdiger bist, als ein unsichtbarer und unergründlicher Gott.

Allein mit Glaube kannst du heute nur noch wenige überzeugen. Aber genau das musst du tun, wenn du ein wirklich überzeugter Christ sein willst - ganz egal wie sehr dich wissenschaftliche Beweise eben nicht mehr glauben lassen.

Wer einmal lügt dem glaubt man nicht, auch wenn er prompt die Wahrheit spricht. Wie viele Lügen wurden und werden seit der "Erfindung" der Geschichte Christi aufgedeckt, von der Kirche (der irdischen Vertretung Gottes und Wächter/Richter über den Glauben) zunächst wehement bestritten, dann die Entdecker verleumdet und bekämpft und am Ende als angebliche Fehldeutungen der Glaubensschriften doch anerkannt?

Natürlich ist ein Gläubiger nicht das Gleiche wie ein Kirchenvertreter - und ein Kirchenvertreter nicht das Gleiche wie ein echter Christ. Aber soll ein Gläubiger nicht nach den Lebensweisheiten der Bibel leben? Da sich aber nur die Kirche das Recht zugesteht die Bibel richtig deuten zu können, ist der Gläubige gezwungen die Deutungen der Kirche und nicht seine eigenen für wahr zu nehmen. Zumal er ja Gottes Wort und somit das Wort der Kirche nicht anzweifeln darf. Könnte ja heißen, er glaubt nicht mehr genug.

Verstehst du warum mich das Thema so interessiert? Warum ich es außerordentlich spannend finde wie jemand diese Gegensätzlichkeiten zusammenbringen will ohne mehr Partei für den einen oder anderen zu ergreifen? Wie lässt sich Naturwissenschaft und Glauben vereinbaren ohne an dem Einen oder dem Anderen Abstriche zu machen? Einen Mittelweg gibt es m. M. n. da nicht. Denn mal abgesehen von der im Glauben verordneten Blindheit war es für mich auch immer ein Rätsel wie beispielsweise ein Wissenschaftler an höhere Wesen mit Allmacht und Allwissenheit glauben kann. Vielleicht kannst du oder auch Aljoscha mir diese Frage beantworten.

LG Sam
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Zu mir und "Aljoscha" 06 Mai 2014 15:36 #719

  • Rainer B.
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Hallo Sam,

zum Literarischen:
keine Angst, der rote Faden bleibt erhalten :-) Nur könnte man aufgrund des Anfangs vielleicht denken, das Ganze bliebe relativ handlungsarm und liefe ganz hauptsächlich über Gespräche und Diskussionen ab ... ohne eine äußere Handlung, die auch für etwas Spannung sorgt. Wer sich nun wie Du ganz freudig auch auf die weltanschaulichen Diskussionen einläßt, für den ist das Buch hoffentlich von Anfang an nicht langweilig.
Genremäßig ist es wohl ein Entwicklungsroman.

Zum Weltanschaulichen:

Unparteiisch? Das wäre eine zu steile Behauptung, denn wahrscheinlich kann man jedem Autor irgendeine Haltung nachweisen. Aber es gibt die Möglichkeit, Respekt auch vor anderen Überzeugungen zu haben und für einen Erzähler durchaus auch die Möglichkeit, mal die Perspektive zu wechseln. Das ist umso mehr möglich, weil ja auch der persönliche Glaube nichts völlig Statisches ist, und sich das eigene Weltbild ja auch im Laufe des Lebens entwickelt.

Dein Bild von Christen/Christentum - Rolle der Kirche scheint eher katholisch geprägt zu sein. Jeder evangelische Christ könnte dir z.B. entgegenhalten, dass "seine Kirche" ja schon eine Reaktion auf die von einigen von dir angesprochenen Missstände ist.

Aber der Protestantismus wirkt natürlich von außen besehen deshalb nicht immer wirklich glaubwürdiger.

Was die Bibel betrifft gibt es z.B. nach evangelischem/protestantischem Verständnis keine Deutungshoheit der Kirche und ich kann mit meinem Verstand und meinen realen Lebenserfahrung an die Sache herangehen und darf auch sagen, was mir unverständlich bleibt oder wo ich Bibelstellen für missverständlich halte. Übrigens nehmen sich auch viele Katholiken diese Freiheit -- Gleichzeitig gibt es innerhalb des Christentums in allen Konfessionen auch einen Fundamentalisismus. Und da hast du Recht: in den Augen eines Fundamentalisten bin ich sicher ein schlechter Christ oder gar keiner ...

Aber diese bösartige Form des Fundamentalismus ist mir bisher nur selten begegnet. Selbst ein konservativ katholisches Nachrichtenportal hat "Aljoscha" positiv besprochen.


Einige Deiner Anfragen, z.B. auch Angst- und Machtstrukturen betreffend, sind in den Salon- und Nachtgesprächen in "Aljoscha" sicher aufgegriffen, aber nicht mit dem Anspruch, immer befriedigende Antworten zu liefern. Manchmal haben vielleicht unterschiedliche Figuren unterschiedliche Antworten -- eine Leserin identifiziert sich z.B. nach eigenem Bekunden mit den Aussagen einer Romanfigur, die sich nicht unbedingt mit meinen eigenen Ansichten decken. Bin darüber nicht traurig Das zeigt, dass mir bis zu einem gewissen Grad gelungen ist, die Überparteilichkeit herzustellen.

Ich freu mich, wenn Du erwartungsvoll an die Lektüre herangehst und freu mich auch über einen weiteren Gedankenaustausch.


LG, Rainer

PS: vielleicht funktioniert der link zu den Rezensionen hier:
http://roman-aljoscha.npage.de/rezensionen.html
Letzte Änderung: 06 Mai 2014 16:29 von Rainer B..
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Zu mir und "Aljoscha" 07 Mai 2014 11:21 #721

  • Samanter
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Hallo Rainer!

Der Link hat funktioniert und ich habe die ersten 3 Rezensionen gelesen. Sie beschreiben das, was ich von deinem Roman nach deinen Schilderungen und der Leseprobe erwartet hatte. Dennoch gibt es einen Unterschied zwischen den Zensorenmeinungen und meinen Motiven das Buch lesen zu wollen.

Wie ich lesen konnte bist du überzeugter Christ und wie du in deinen Kommentaren angedeutet hast Evangelist. Ich bin Atheist, was aber nicht heißt, dass ich an gar nichts glaube oder glauben will. Insoweit bin ich wohl nicht vom Christentum zu überzeugen, aber wohl von Erkenntnissen und Betrachtungsweisen über die "richtige" Art zu Leben. Für mich ist es nicht eine höhere Macht die mein Schicksal leitet, sondern jeder Weg bestimmt (nicht vorbestimmt) durch mein alleiniges Tun, also eine Kette von Gesetzmäßigkeiten geflochten durch Ursache und Wirkung. Das ist es, was ich zu finden hoffen. Die Ursachen die bestimmte Wirkungen hervorrufen, Zusammenhänge die sich mir durch die Betrachtungsweisen Anderer eröffnen oder meine eigenen bestätigen bzw. wiederlegen. Wenn du so willst suche ich meinen "Gott" in den Naturwissenschaften, Psychologie, in den Gesetzmäßigkeiten der verschiedenen Formen des Zusammenlebens sowohl in menschlichen Gesellschaftsformen als auch in der Tierwelt. Ich suche nach Kreisläufen die in gewandelter Form immer wieder auftauchen und jeweils verändert andere Kreisläufe beeinflussen. Dazu gehört für mich auch der Kreislauf des Lebens, von Geburt bis Tod und dem was danach kommt. Menschen sind von Natur aus nicht dazu geschaffen Unendlichkeit zu begreifen. Selbst ein Kreis hat für einen Menschen immer einen Beginn, einen Zeitpunkt an dem er das erste Mal entstanden ist. Doch genau genommen gibt es in der Natur, im Universum keinen wirklichen Anfang und auch kein wirkliches Ende. Genau das will ich ergründen und zumindest für den winzigen Teil des unendlichen Ganzen, meinem Leben, begreifen.

Verstehst du was ich meine? Jeder hat eine Art Glauben, doch Glauben hat nicht unbedingt immer mit unbeweisbaren Konstrukten zu tun die man mehr oder weniger einfach annimmt. Insofern sind wir uns sogar sehr ähnlich, nur das ich Gott nicht in einem höheren Wesen oder als unsichtbares Korn in einem jeden Menschen suche, sondern in allem was wirklich, sichtbar und nachweisbar existiert. Reduziert auf Gesellschaftsformen ist es ähnlich wie der Unterschied zwischen einer Gesellschaft mit einem Oberhaupt wie beispielsweise ein Löwenrudel (Glauben an einen Gott, einem Wesen, dass die Geschicke jedes Einzelnen lenkt, leitet oder auch nur beeinflusst.) und einer Gesellschaft die sich allein durch angeborene, automatische Verhaltensweisen organisiert wie beispielsweise ein Ameisenvolk. (Glauben an Ursache und Wirkung in alles und jedem was existiert.)

Ist das überhaupt ok, wenn wir hier über Glaubensrichtungen diskutieren? Oder sollten wir dafür einen anderen Thread aufmachen? Ich glaube in der Rezeption sind wir dann falsch, oder?

LG Sam
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Zu mir und "Aljoscha" 07 Mai 2014 14:31 #726

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Hallo Sam,

ich mußte schmunzeln, denn nicht jeder evangelische Christ ist ein Evangelist. Als "Evangelisten" bezeichnen sich heute reisende Prediger, denen es sehr darum geht, Menschen fürs Christentum zu gewinnen.

Ich betone normalerweise Konfessionen nicht so sehr; mir ging es nur darum, dir ein paar Beispiele zu geben, dass Deine Vorstellung von Christsein und der Rolle der Kirche auf einen Teil der Kirche gar nicht zutrifft.
Andererseits fand ich viele Deiner Bemerkungen/Schlüsse zutreffend.

Wenn Du jetzt über Dein Weltbild, Deinen Glauben schreibst, finde ich da durchaus eine gemeinsame Basis und überraschende Übereinstimmungen.

Ohnehin denke ich, dass mir jemand, der sich als Atheist bezeichnet, aber eine demütige Haltung zum Leben und den offenen Fragen der Existenz einnimmt, näher steht als jemand, den seine Dogmen hochmütig gegenüber Andersgläubigen oder -denkenden machen.

Wußtest du, dass du völlig in Übereinstimmung mit der Bibel und christlicher Lehre bist, wenn du Gott in einem Menschen suchst? Wenn du einem bedürftigen Menschen etwas Gutes tust und ein Zeichen der Liebe gibst, ist das ein Gottesdienst. Und Jesus stellt ausgerechnet die heraus, die sich dessen gar nicht bewußt sind. (das ist jetzt keine supertolerante Meinung, sondern steht so im Neuen Testament).

Damit bleibt natürlich immer noch die Frage nach dem Höheren Wesen, das unsere Geschicke lenkt oder nicht lenkt ... ich denke, viel hängt davon ab, wie man Erfahrungen und Erlebnisse interpretiert.

Statt eines anderen Threads hätte ich vorgeschlagen, du funkst mich direkt an, per mail unter
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! --- falls sich noch jemand an dieser Stelle in die Diskussion einmischen möchte, können wir ja immer noch eine öffentliche Plauschecke einrichten ;-)

LG, Rainer
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Zu mir und "Aljoscha" 08 Mai 2014 11:28 #735

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Lieber Rainer!

Ich werde erst einmal per Mail schreiben. Wenn jemand an unserer Diskussion Interesse bekunden sollte, können wir immer noch hier her bzw. in einen anderen passenderen Thread wechseln.

LG Sam
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