Zugegeben, man kann Geschichten ohne Anführungszeichen lesen und findet sich auch darin zurecht. sogar klein geschriebene buchstaben würste lassen sich entziffern, schließlich ist es immer noch deutsch. Und sofort frage mich - eine Gewohnheit - bin ich entwicklungsresistent, wenn solche Veränderungen mir unangenehmen Gefühle bescheren?
Wenn dem so wäre, dann sollte ich lieber nichts zum Thema schreiben, sondern mich in Therapie begeben. Denn bekanntlich schafft Widerstand Krankheit.
Ich glaube aber, Neuerungen gegenüber aufgeschlossen zu sein. Auch wenn mitunter ein Auge dabei weint. Ich finde es definitiv traurig, dass es in Griechenland keine einsamen Strände mehr gibt. Andererseits begeistert es mich, wenn ich meinem Handy sagen kann, es soll doch schnell ein SMS an XY schreiben mit diesem Inhalt ... senden? Ja bitte - fertig. Toll. Auch könnte ich mich ins Zeit-Off begeben, wenn ich mich recherchierend mit StreetView durch die Schuttberge der Insel Hashima arbeite. Oder sonstwo.
Und bei der geschriebenen Sprache?
Sind Anführungszeichen verzichtbar wie romantische, einsame Strände in Griechenland? Sind der Wegfall von Anführungszeichen oder die Schrumpfung von Großbuchstaben und dafür reges Einfügen von Leerzeichen zwischen zusammengesetzten Worten gleichzusetzen mit technischem - oder welchem auch immer - Fortschritt?
Oder sind Anführungszeichen-Elimierung und Großbuchstaben-Ausrottung reine Faulheit von unwillig schreibenden Sprachdesinteressierten? Glücklicherweise ist ja von der Ausrottung kaum die Rede, aber bereits das mit den Anführungszeichen fühlt sich nicht gut an.
Oder soll man so etwas einfach abtun als Das-ist-halt-Entwicklung, da kann man nichts machen, warum dann aufregen?
Oder gibt es hinter den Anführungszeichen einen tieferen Sinn?
Ich bin überzeugt davon!
Beim Lesen von Texten ohne Anführungszeichen habe ich beobachtet, dass es zwar nahezu ähnlich fließend funktioniert, als ob sie vorhanden wären. Aber es fehlte mir etwas. Und gleich wieder eine Frage an mich: Wirst du alt und das Neue macht dir Angst, weil etwas Vertrautes aus guter, alter Zeit entfällt? Nein, zum Glück doch nicht.
Schriftliche Kommunikation ist für mich ein kleines Wunder. Wir haben einen Code geschaffen, mithilfe dessen wir unsere eigenen Bilder in Worte pressen, für die es wiederum Zeichen gibt, die das Gegenüber zu Worten entschlüsselt und so Bilder in sich entstehen lässt. Mit viel Glück ähneln sich die Bilder des Absenders und Empfängers. Oft nicht so gut, wie jeder zwischenmenschliche Disput dokumentiert. Was hat das mit dem Schreiben zu tun?
Geschriebenes ist noch schwierigere, da komplexere Kommunikation als verbale Übertragung. Man kann schließlich auch zwischen Zeilen lesen. Alles Nonverbale entfällt, wir sind auf Zeichenketten reduziert. Im Schreiben und im Lesen.
Aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass jedes Hilfsmittel, das diese ohnehin schon eingeschränkte Kommunikation erleichtert, wahrgenommen werden sollte. Neben den diversen Satzzeichen gehören auch Anführungszeichen zu unseren Werkzeugen, mittels derer wir einen Text bunter gestalten können. Aber wir können damit auch einen Hauch Nonverbales mitliefern. Während ein Gedankenstrich Innehalten, drei Punkte Zögern signalisieren, so steht das Anführungszeichen fürs Luftholen.
All diese Zeichen sind Ankerpunkte für unsere Augen, mit denen direkt Emotionen verbunden sind. Warum berauben wir uns der Möglichkeit, mehr mit unserem Text transportieren zu können, als nur Worte? Auch denke ich, wenn man diese Entwicklung fördert, dass man damit Artensterben unterstützt. Weniger Arten, weniger Lebendigkeit.
So wünsche ich mir, dass solche Änderungen ein eigenwilliges Experiment bleiben und nicht eine allgemeine Tendenz zur Verflachung vorantreiben
Kommentare
Aha, mein Kommentar ist zu kurz ... nunn, mal sehen, was ich noch dazu schreiben muss, damit er lang genug ist.
Das Argument, es seien Ankerpunkte für die Augen unterstütze ich vorbehaltlos.
Über Groß- und Kleinschreibung lässt sich diskutieren. Viele Sprachen lassen nur eine rudimentäre Großschreibung zu. Aber alle mir bekannten verfügen über Zeichen, die beispielsweise ein niedergeschriebenes Gespräch zwischen zwei Individuen kenntlich machen.
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