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THEMA: Rückblenden vermeiden?

Rückblenden vermeiden? 25 Okt 2017 11:49 #5861

Hallo Martin,

ich las eben in deinem Buch "Prozessbegleiter". Es enthält einige nützliche Tipps, danke!

Eine Sache gefiel mir persönlich nicht. Im Kapitel 7.3 steht gleich am Anfang pauschal: "Wenn sich Rückblenden vermeiden lassen, solltest du die Chance nutzen...".

Dieser Tipp hatte mich zuerst arg verunsichert. Ich plotte gerade einen Roman, indem auch die wichtige Vorgeschichte erzählt werden soll - als Sprung in die Vergangenheit. Wenn diese Rückblende kapitelweise läuft und sozusagen einen zweiten Erzählstrang bildet, sind Rückblenden m. E. sehr wohl passend und stören den Leser vermutlich nicht. Ich vermute, deine leicht missverständliche Warnung bezog sich nicht auf die von mir beabsichtigte Art von langen, regelmäßigen Rückblenden, die Teil der Story sind, also wo sich die Kapitel abwechseln mit Gegenwarts-Story und Vergangenheits-Story (die den Weg zur Gegenwarts-Story zum Inhalt hat).

Gern hätte ich übrigens noch ausführlicher über die ersten Schritte und deren Zusammenhang wie das Mindmapping/Plotten/Kreativmatrix (Vorgehen) und über die Perspektiven in deinem Buch gelesen mit Erläuterungen und Beispielen. Es ist sehr knapp gehalten.

Gruß
Frank
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Rückblenden vermeiden? 25 Okt 2017 14:15 #5862

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Hallo Frank!

Zuerst einmal herzlich willkommen in unserer Runde der Schreiber und derer, die es werden wollen!

Freut mich, wenn du das Buch grundsätzlich als nützlich empfindest. Es richtet sich vor allem an Neueinsteiger und leicht geübte Autoren. In diesem Stadium gibt es ein paar Sachen, die ein Buch, das sonst gut werden könnte, ruck-zuck verhageln können. So wie in den meisten Sportarten gibt es auch beim Schreiben Pflicht und Kür. Zur Pflicht gehört bei uns das Wollen, sich mit dem Schreibhandwerk auseinanderzusetzen und es sich im Lauf der Zeit immer mehr einzuverleiben. Erst dann, wenn man dabei einen guten Level erreicht hat, sollte man sich auf Experimente einlassen.

Zu denen gehören auch Rückblenden. Sie sind eine heikle Angelegenheit, denn sie haben ein Makel, das man nie wird entfernen können: Sie reißen den Leser aus der Geschichte. Auch wenn sie noch so gekonnt eingesetzt werden, ist durch sie der Leser dazu gezwungen, in eine andere Geschichtsebene zu wechseln. Viele Leser sind dazu ungern bereit, denn es holt sie aus der Behaglichkeit der einen Blase, Fenster auf, kalter Luftzug, und es dauert, bis sie sich in der anderen wieder behaglich fühlen.

Um das unumgängliche Rückblendenleid für den Leser erträglich zu machen, gibt es einiges zu bedenken. Dazu sind Newbies am Anfang oft gar nicht bereit, sondern sie wollen einfach drauflosschreiben. Verständlich, denn das da drin will alles erst einmal raus. Rückblenden sind zudem oft durch Neueinsteigerthema bedingt: die Überzeugung, etwas aus der Vergangenheit erklären zu müssen. Also warum kam es dazu, wie es ist, warum handelt die Figur heute so. Das sind Fragen, die für den Autor absolut wichtig zu beantworten sind, aber für den Leser und damit die Geschichte meist irrelevant. Oft habe ich gehört: ›Ich finde, es ist wichtig, zu wissen, dass ...‹ Für den Autor unbedingt. Aber für Geschichte und Leser ist es im Gegenteil selten wichtig, warum etwas ist, wie es ist. Geschichten sind in der Regel (kurze) Lebensabschnitte. Natürlich kann man mal Bezug nehmen auf Kindheit & Co. das kann man aber oft eleganter in einem kurzen Dialog oder Randbemerkungen. Wirklich wichtig ist das, was gerade passiert, wie die Figur gerade erlebt und fühlt und sich entwickelt. Über dieses Thema habe ich schon oft diskutiert und es ist schwer, Jungautoren die Unnotwendigkeit der Rückblenden zu zeigen.

Ausnahmen gibt es natürlich. Rückblenden können ein spannendes Stilmittel sein, aber nur dann, wenn sie wirklich gekonnt eingesetzt werden. Und gekonntes Einsetzen gelingt nur mit einer ordentlichen Portion Übung und Know-how. Aus diesem Grund habe ich in dem Buch Rückblenden nicht gut wegkommen lassen. Es soll abschreckend sein, auch wenn ich weiß, dass das gern den Trotz von Neueinsteigern auslöst. Aber gegen den kann man ohnehin nichts tun. Wenn jemand seine eigenen Erfahrungen sammeln will, dann ist das sein gutes Recht.

Fazit: Nichts Generelles gegen Rückblenden. Aber bevor man nicht wirklich gut mit ihnen umgehen kann, sollte man lieber versuchen, die Geschichte linear zu schreiben. Was spricht nämlich dagegen, bei einer spannenden Stelle der Rückblende gleich einzusteigen und von dort nach vorne zu entwickeln?

Liebe Grüße
Martin
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Rückblenden vermeiden? 27 Okt 2017 12:57 #5863

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FrankRahde schrieb:
Gern hätte ich übrigens noch ausführlicher über die ersten Schritte und deren Zusammenhang wie das Mindmapping/Plotten/Kreativmatrix (Vorgehen) und über die Perspektiven in deinem Buch gelesen mit Erläuterungen und Beispielen. Es ist sehr knapp gehalten.
Das Buch ist bewusst straff gehalten. Es soll ja eben kein Schreibratgeber sein, sondern nur alle Punkte anreißen, damit man weiß, dass es sie gibt. Lediglich bei der Psychologie und wenigen andern bin ich etwas in die Tiefe gegangen, weil man davon sonst praktisch nichts liest bei Ratgebern. Aber ich kann ggf. im Schreibblog auf der Patchworkseite auf den einen oder anderen Punkt eingehen.

War die Antwort bezüglich der Rückblenden für dich hilfreich?

Viele Grüße
Martin
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Rückblenden vermeiden? 28 Okt 2017 11:29 #5864

Hallo Martin,

sorry für die verzögerte Antwort, ich war im Stress.

"Nichts generelles gegen Rückblenden", genau das wollte ich hören, zumal viele Romane mit diesem Stilmittel arbeiten, v. a. SciFi-Romane, die gern mehrere Zeitebenen einsetzen.

Deine Warnung kann ich natürlich nachvollziehen. Ich hatte nicht jene kurzen Rückblenden im Blick, die du angesprochen hattest, sondern die langen Rücksprüngee, die einen wichtigen Teil zum Verstehen der Story ausmachen und eben nicht linear zuvor erzählt werden sollen, sondern rückblickend (interessante Historie einer Raumschiffmission). :-)

Wäre schon cool, wenn du in deinem Schreibblog näher auf die PW-Features "Plotten, "Mindmapping" und "Kreativmatrix" und deren Zusammenspiel (was sollte man wie zuerst machen) eingehen könntest.

Danke+Gruß
Frank
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