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THEMA: Der ist offline!

Der ist offline! 15 Mär 2014 16:14 #174

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„Der ist offline!“ Ich weiß gar nicht, wer in der Runde das sagte. Nein, nicht zu mir, ich hatte es gar nicht mitbekommen. Meine Frau sagte es mir später. „Kannst du nicht einmal abschalten?“, fragte sie mich. Ich hörte einen drohenden Unterton heraus.

Schuldbewusst zuckte ich mit den Schultern und hoffte, dass es einer Entschuldigung gleichkam. Zum Glück kennen meine Freunde das mittlerweile. Es kommt von alleine. Ich dachte an eine weiße Rose, an ein schon recht zerfallenes Gebäude. Dorthin hatte sich mein Protagonist mit seiner Schicksalgenossin verirrt, geflüchtet, gerettet, … Jetzt sollten sie sich kriegen, verlieben, doch nur die erste Etappe auf dem noch langen Weg bis zum ENDE. Was konnte der Antagonist ihm nun anhaben? Wie konnte er ihm Steine in Weg Werfern? Wie konnte mein Held sich dem entziehen?

Die Gedanken kamen mir einfach, als ich wieder mal offline war. Jetzt geht es gleich ins Bett. Es ist schon Gewohnheit geworden, das Einschlafen hinauszuzögern. Vorher noch etwas über die Geschichte nachdenken. Am nächsten Tag Zeit freischaufeln, Zeit zum Schreiben. Bloß keine Runde mit anderen Leuten, nur ich und der PC.

Das ist ein Teil meines Autorenlebens. Nicht annähernd so spannend, wie ich es mir für meine Figuren vorstelle, eher genau das Gegenteil.
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Der ist offline! 15 Mär 2014 16:59 #176

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Hallo Tatwort!

Dein Beitrag sprang mir sofort ins Auge. Zur Zeit durchlebe ich eine nämlich eine Phase der ..., ich will es einmal Übersättigung nennen. Beim Titel deines Beitrages "Der ist offline" dachte ich sofort an meine derzeitige Stimmung. Als ich ihn dann aber las, weckte das Erinnerungen in mir nach denen ich mich so sehr sehne.

Auch mir ging es so. Während ich meine Geschichte erfand, sprudelten beinahe ununterbrochen neue Wendungen, neue Charaktere, besonders schöne Formulierungen, aufregende Bilder von Orten und Umgebungen und immer raffiniertere Verwicklungen zwischen Ereignissen und immer neue winzige Andeutungen die sich urplötzlich zu wichtigen Zusammenhängen entwickeln aus mir heraus. Kurz gesagt ich lebte zu 90% in der Welt meiner Protas und zu höchstens 10% in meiner realen Welt. Auch meine Familie konnte das nicht verstehen und hat am Ende sogar dagegen rebelliert. Doch es half nichts. Ich konnte nicht anders.

Als das Manuskript dann aber in der Rohfassung fertig war und die lästige Nacharbeit anfing, wurde mit jeder Überarbeitung das Ganze fader. Es ist, als wenn man einen Kaugummi kaut. Zu Anfang schmeckt er noch süß und befriedigt das Verlangen nach genüsslichem Kauen. Aber mit jeder Minute die man darauf herumkaut wird er mehr und mehr zu matschigem Zellstoff, bis man ihn einfach nur noch ausspucken möchte. Hier fängt m. E. die wirklich harte Arbeit eines Autors an. Durchhalten, immer wieder die Begeisterung für seine eigene Geschichte in sich hervorrufen. Unablässig in quälender Selbstdisziplin die Flamme am brennen halten und dabei noch selbstkritisch bleiben. Und das alles ohne Motivation von außen, ausschließlich aus eigener Kraft.

Geht es dir genauso?

LG Sam
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Der ist offline! 15 Mär 2014 17:37 #179

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Hallo Samanter!

Tja, die Nacharbeit, das elendige Überarbeiten. Bei mir war es eine wohl notwendige, aber üble Erfahrung. Ich hatte endlich ENDE unter den Roman geschrieben, meinen ersten Roman. Klar habe ich ihn überarbeitet, wirklich, mehrmals. Ich habe Sätze umformuliert, Szenen abgeändert, Logikfehler eliminiert, …
Dann endlich, es juckte mir ja in den Fingern, habe ich mir 5 Agenturen herausgesucht und sie mit meinem Werk konfrontiert. „Gut! Ich hätte Talent. Eine interessante Story habe ich da geschaffen.“ Ich war ja schon froh, dass ich überhaupt eine Antwort erhielt und dann noch eine, die nicht gleich niederschmetternd war. Absagen wurden es dennoch.

Ich habe geschmollt, habe gedacht, ihr könnt mich mal und bin mit einem neuen Werk angefangen. Nach einer gehörigen Weile habe ich mir mein Erstwerk noch einmal angesehen, ich wollte es ja nicht wegwerfen. Au man! Habe ich da noch viele Fehler entdeckt. Es war mir wirklich peinlich, ein solches Exemplar abgeschickt zu haben, 5 Agenturen verbrannt zu haben. Ach ja, die verdammte Kommasetzung. Ich bin bei null angefangen und habe mir ein Schulbuch für die 6. Klasse zur Zeichensetzung gekauft. Man hatte tatsächlich die Regeln für den erweiterten Infinitiv geändert. Auch ein paar meiner sonstigen Gewohnheiten zur Kommasetzung musste ich eliminieren. Und erst einmal diese sch… Zusammen-/oder Getrenntschreibung.

Ja, die Überarbeitung macht nicht so viel Spaß. Sie dauert bei mir sogar deutlich länger, als die Geschichte zu erfinden. Aber es gehört dazu. Es ist wie das Einpacken mit Schleifchen eines Geschenks. Das Geschenk ist schnell gekauft, das Einpacken dauert deutlich länger. Aber ich lasse mir Zeit damit. Wenn ich Lust habe, überarbeite ich, wenn nicht, schreibe ich an einer neuen Story.

LG tatwort
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Der ist offline! 15 Mär 2014 18:39 #180

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Da bin ich aber erleichtert, dass es nicht nur mir so geht. Ich hatte mein Manuskript ganz ohne Kenntnisse zur Autorenarbeit geschrieben. Du kannst dir vorstellen wie sehr das erst weh tat. Zum Glück war ich nicht so blauäugig und habe es an einen Verlag geschickt. Irgendwie hatte ich schon instinktiv damit gerechnet, dass da noch einiges zu verbessern sein würde, nur mit dem Ausmaß hätte ich nie gerechnet.

Es wäre schön, wenn ich so zu sagen als Schaffenspause ein neues Projekt anfangen könnte. Leider habe ich damit ein Problem. Ich kann nichts Neues anfangen solange das Alte nicht fertig ist. Frage mich nicht warum. Ich weiß es nicht. Nicht einmal den 2. Band zu meinem Manuskript konnte ich anfangen. Es ist so ein Gefühl, als wenn man sich zu weit von seinem Kind entfernt und dabei ständig das Gefühl etwas Schlimmes könnte passieren im Nacken spürt. Dabei kann ich mich nicht auf etwas anderes konzentrieren.

Ist das wirklich so, dass Verlage dich ablehnen nur weil du die Kommaregeln nicht 100tig beherrscht? Gott, dann werde ich nie fertig. Ich habe schon die alten Regeln dazu kaum begriffen, geschweige denn die neuen. Bei dem Problem mit der Getrennt- / Zusammenschreibung recherchiere ich viel oder versuche zweifelhafte Wörter zu vermeiden. Aber beispielsweise mit der Zusammen- /Getrenntschreibung beim Infinitiv mit zu und zusammengesetzten Verben gerate ich auch regelmäßig ins Schleudern. Wie ist es nun richtig? "Ich erlaubte ihm mitzuspielen." oder "Ich erlaubte ihm mit zu spielen." Die getrennte Schreibweise wird in den gängigen Rechtschreibprüfungen nicht moniert. Die zusammengeschriebene Variante manchmal ja manchmal nein. Auch bei Worten wie herunterfallen, hinaufsehen u. ä. Eigentlich logisch sie zusammenzuschreiben (auch so ein Wort), da es eine einzige Handlung beschreibt. Aber herunter fallen oder hinauf sehen wird von den Rechtschreibprogrammen auch nicht moniert und ist in vielen Büchern auch so zu lesen. Wie ist es nun richtig oder ist Beides sogar richtig? Aber die Groß- Kleinschreibung ist auch so ein Minenfeld manchmal. Meistens finde ich es aber doch heraus.

LG Sam
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Der ist offline! 15 Mär 2014 19:04 #181

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Ja, das ist schon ein verdammter Mist. Bei mir liegt der Duden stets griffbereit. Je mehr man darin herum blättern muss, desto besser kann man es, meint man – bis zum nächsten Mal. Besonders blöde wird es, wenn man versucht die Wortwahl zu ändern, nur weil man sich nicht sicher ist, wie man das dusselige Wort denn nun schreibt.

Dann gibt es da noch die Kann-Regeln. Man kann es zusammenschreiben oder auch nicht. Leider sollte man es im ganzen Roman einheitlich machen, was (für mich) fast unmöglich ist.

Man weiß ja eigentlich ganz genau, wie man den Begriff gemeint hat.

Er hat seine Arbeit über Nacht zusammengeschrieben.
Er hat seinen Test mit anderen Prüflingen zusammen geschrieben. ==> Und dann kommt noch die Dudensoftware daher, die diesen Begriff als ein Wort schreiben will, um nicht zusammenschreiben will, zu sagen.

Es gibt aber noch mehrere solcher Schwierigkeiten für mich. Zum Beispiel Aussagen wie: Eine nicht enden wollende Masse hunderter (tausender, etc.) Soldaten quälten sich die Straße entlang. Der Duden will hunderte, tausende usw. groß scheiben. Pons sagt, man soll solche Angaben grundsätzlich klein schreiben.

Ich habe leider nicht Germanistik studiert. Ich werde wohl mit Fehlern leben müssen. Nur habe ich lernen müssen, dass man viel Arbeit investieren muss, um sie wenigstens so weit wie möglich zu reduzieren.
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Der ist offline! 15 Mär 2014 21:14 #184

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tatwort schrieb:
Das ist ein Teil meines Autorenlebens. Nicht annähernd so spannend, wie ich es mir für meine Figuren vorstelle, eher genau das Gegenteil.
Vielleicht erfinden wir deshalb unsere Geschichten und hauchen den Figuren ein wenig von uns selbst und unseren Wünschen ein? Ich habe festgestellt, dass ich bei bestimmten Szenen direkt in einen euphorisierenden Sog geraten bin. Über andere musste ich mich eher quälen.

Ich glaube, dass unsere Probleme aus dem Alltag, unsere unerfüllten Wünsche sich ein Ventil suchen und mit dem Schreiben gefunden haben. Da ist es gut nachvollziehbar, wenn man offline gehen möchte.

Liebe Grüße
Martin
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Der ist offline! 15 Mär 2014 23:46 #192

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Zur lästigen Nacharbeit.

Das sollte jetzt nicht der Namen einer Kneipe sein, sondern Überschrift zu meinem Schmonzes ;-)

Dass die Überarbeitung lästig ist, lese ich interessanterweise ziemlich häufig. Ich frage mich jetzt warum. Aber ich ticke vermutlich anders als viele, denn ich liebe zum Beispiel schlechtes Wetter - außer im Sommer, wenns zum Baden wäre ...

Der Vorgang des Überarbeitens macht mir in der Regel großen Spaß! Ich finde es einfach toll, die Kapitel Satz für Satz durchzugehen, vielleicht mit einer Stilprüfung dabei. Die meint dann, dass ein Wort nicht passt, aus welchem Grund auch immer. Und dann schauen, ob das wirklich so ist. Regeln sind gut und es ist wichtig, sie zu beherrschen. Und trotzdem sind sie ein Gerüst, das wir mit Leben füllen sollen. So muss es nicht sein, dass eine Wortwiederholung falsch ist, im Gegenteil kann sie was betonen. Schauen, ob die Bilder auch wirklich passen, die ich gemalt habe. Alles mal laut lesen, was wieder ganz andere Asoekte zu Tage bringt. Ich finde es cool, wenn es immer runder wird.
Allerdings muss ich gestehen, dass ich irgenwann einmal nicht mehr mag und richtig grantig werde. Dann lasse ich es einfach zwei Wochen liegen und mache was anderes.
Oder Satzzeichen. Freilich gibt es auch da Regeln. Aber Satzzeichen haben weitreichendere Funktion: Sie sollen etwas bewirken. Ein Stocken. Ein Stocken; aber vielleicht nur ein bedingtes. Oder ein fließendes, leichtes, angenehmes Dahinplätschern.
Wenn dann eine Rechtschreibprüfung meint, dass da kein Komma hingehörte, dann frage ich mich zuerst, ob das Komma zum Rhythmus passt. Und, was meinst du? Nein, hier gehörte keines hin, aber es gehört doch hin - wegen der Unterbrechung.
tatwort schrieb:
Man weiß ja eigentlich ganz genau, wie man den Begriff gemeint hat.

Er hat seine Arbeit über Nacht zusammengeschrieben.
Er hat seinen Test mit anderen Prüflingen zusammen geschrieben. ==> Und dann kommt noch die Dudensoftware daher, die diesen Begriff als ein Wort schreiben will, um nicht zusammenschreiben will, zu sagen.
Hier finde ich es gleich. Duden ist gut, aber Gefühl ist besser. Zudem gibt häufig das Sprechen selbst die Antwort: ›... über Nacht zusammengeschrieben‹ klingt gesprochen genauso wegweisend wie ›... mit anderen Prüflingen zusammen geschrieben‹. Darauf kann man sich öfter verlassen als man denkt!
Ach ja und die gute Duden-Software, selbst die Papyrus-Version, die noch die beste ist, liegt aber sowas von oft daneben! Ich habe seinerzeit als Papyrus-Betatsester massenweise flasche Vorschläge an die Leute von R.O.M. geschickt. Immer zehn pro Mail. Es waren einige Mails, irgendwann hatte ich's dann aufgegeben.

Das Fazit (für mich): Es macht Spaß, das alles zu lernen und dann mit dem eigenen Sprachgefühl in Einklang zu bringen. Der Weg zum Virtuosen ist halt mal nicht immer gemütliches Schlendern, sondern auch steinig, nass, kalt, ungemütlich. Aber am Ziel wartet immer eine Hütte mit einer heißen Erbsensuppe mit Würsteln. Und dann geht's zur nächsten Hütte.

Und zu guter Letzt: Genau für die ganzen Fragen, die auftauchen, soll ja das Forum hier sein. Aber genauso auch für das Stöhnen über die zeitweilige Unwegsamkeit der Route. In diesem Sinne danke für die schönen und offenen Beiträge!

Herzliche Grüße
Martin
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Der ist offline! 16 Mär 2014 11:32 #193

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Hallo Tatwort!

Ich glaube ich weiß jetzt wo das Problem liegt. Dein Gefühl sagt dir zwar wie es richtig ist, aber du kannst die Logik dahinter nicht definieren. Ich versuche es einmal an deinen Beispielen zu erklären wie ich glaube, dass die Regel lautet.

Er hat seine Arbeit über Nacht zusammengeschrieben.
Hier muss das Wort zusammengeschrieben werden, da es auch bei einer Satzumstellung immer zusammen stehen würde.
Zum Beispiel: Über Nacht hat er seine Arbeit zusammengeschrieben. Zusammengeschrieben hat er seine Arbeit über Nacht.

Er hat seinen Test mit anderen Prüflingen zusammen geschrieben.

Hier wird getrennt geschrieben, weil bei einer Satzumstellung die Worte auch weit auseinander stehen könnten.
Zum Beispiel: Er hat seinen Test zusammen mit anderen Prüflingen geschrieben. Er hat seinen Test mit anderen Prüflingen zusammen in 5 Stunden geschrieben.


Eine nicht enden wollende Masse hunderter (tausender, etc.) Soldaten quälten sich die Straße entlang.
Also, wenn der Duden sagt, dass das Wort "hunderter" immer groß geschrieben wird ist das m. M. n. falsch. Wenn nach dem Wort "hunterter" ein Supstantiv (Soldaten) steht ist es eine nähere Bezeichnung für dieses Substantiv (wie ein Adjektiv) und muss klein geschrieben werden. Wenn nach dem Wort aber kein "Soldaten" kommt ist es so etwas wie ein substantiviertes Adjektiv und muss groß geschrieben werden.
Zum Beispiel: "... Masse hunderter Soldaten quälten ..." Aber "... Masse Hunderter quälten ..."


Ich arbeite eigentlich nur mit dem Online-Duden, wenn ich Schreibweisen kontrollieren will. Derartige Regeln wie oben versuche ich logisch zu ergründen. Ich bin eben ein Praxismensch. Leider sind die Regeln aus einschlägiger Literatur auch nicht immer wirklich logisch. Das macht das Ganze so schwierig.

LG Sam
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Der ist offline! 16 Mär 2014 12:09 #194

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Hallo Martin!

Du bist zu schnell. So schnell kann ich so viele Beiträge gar nicht beantworten ohne Gefahr zu laufen etwas zu übersehen.

Du schriebst: Ich habe festgestellt, dass ich bei bestimmten Szenen direkt in einen euphorisierenden Sog geraten bin. Über andere musste ich mich eher quälen.

Ich glaube das geht wohl jedem Autor so. Und ja, natürlich ist eine Geschichte immer auch ein Ventil oder auch eine Reflektion für unsere Gefühle, Träume, Wünsche, Ängste, Gedanken ... Woher sollte sie denn sonst auch kommen? Wir sind schließlich keine Berichterstatter. Aber genau deshalb, weil wir eben den Ausdruck des Schreibens gewählt haben, weil uns das Schreiben mehr Spaß macht als endlose Diskussionen am Kaffeetisch oder Bildhauerei, funktioniert es bei uns mit Schreiben auch am besten. Dass das auch bis hin zur völligen Ektase oder zur zeitweisen Aufgabe unseres eigenen Ichs (gedanklich) gehen kann, zeigt wie sehr wir uns im Schreiben verlieren können. Genau das zeichnet einen guten Künstler oder auch Handwerker, Dienstleister ... aus und macht ihn zu etwas Besonderem der aus der Masse hervorsticht. Findest du nicht? Der einzige Unterschied besteht daran, dass beim Schreiben technisches Wissen und Fertigkeiten eben nicht reichen sondern auch Talent von Nöten ist. Das aber kann man auch mit noch soviel Fleiß nicht erlernen. Anderseits fühlt man sich nicht ernsthaft zu etwas berufen, wenn man absolut kein Talent dafür hat. Oder gibt es so etwas?

Du schriebst: Der Vorgang des Überarbeitens macht mir in der Regel großen Spaß! Ich finde es einfach toll, die Kapitel Satz für Satz durchzugehen, vielleicht mit einer Stilprüfung dabei.

Ja natürlich macht das auch bis zu einem gewissen Grat Spaß. Aber irgendwann wird das auch zu viel. Ich bin, wie gesagt, kein Technikmensch sondern rein logisch UND emotional gesteuert. Etwas was ich nur mit dem Gefühl begründen kann reicht mir ebenso wenig wie Etwas was ich nur mit einer Logik begründen kann sich für mich aber falsch anfühlt. Eine Regel die ich aber nur noch auswendig lernen und stur anwenden kann geht für mich gar nicht. Ganz ehrlich, beim sturen Erlernen und Anwenden von trockenen Definitionen, wie virtuos auch immer, geht mir einfach meine Kreativität ab. Beim Zusammenspiel von Logik UND Gefühl kann ich mir wenigstens noch etwas davon erhalten.

Du schriebst: Freilich gibt es auch da Regeln. Aber Satzzeichen haben weitreichendere Funktion: Sie sollen etwas bewirken. Ein Stocken. Ein Stocken; aber vielleicht nur ein bedingtes. Oder ein fließendes, leichtes, angenehmes Dahinplätschern.
Wenn dann eine Rechtschreibprüfung meint, dass da kein Komma hingehörte, dann frage ich mich zuerst, ob das Komma zum Rhythmus passt. Und, was meinst du? Nein, hier gehörte keines hin, aber es gehört doch hin - wegen der Unterbrechung.


Zum ersten Teil deiner Aussage stimme ich dir voll und ganz zu zum zweiten Teil nur bedingt. Warum. Natürlich habe Satzzeichen für einen Autor der ohne Ton Töne und ohne Farbe Bilder erschaffen muss eine ganz besondere Bedeutung. Aber auch hier kann die Virtuosität nur in den vorgezeichneten Bahnen laufen. Deshalb bin ich mit deinem Beispiel nicht ganz einverstanden. Nicht allein der Rhythmus bestimmt das Satzzeichen sondern er grenzt die Auswahl von Möglichkeiten für einen bestimmten Bereich an Möglichkeiten ein ohne die Regeln zu verletzen. Ist das jetzt verständlich?
Zum Beispiel: Ein Stocken. Ein hartes Stocken. Oder: Ein Stocken; aber vielleicht nur ein bedingtes. Oder ein fließendes, leichtes, angenehmes Dahinplätschern.
Hier gehe ich mit deiner Satzzeichenwahl vollkommen mit.
Zum Beispiel: Und, was meinst du?
Hier nicht mehr, weil da lt. Regelwerk tatsächlich kein Komma hingehört und die Pause deshalb anders (mit regelkonformen) Satzzeichen ausgedrückt werden kann. Nämlich so: Und? Was meinst du? Oder auch so: Und ... Was meinst du? Beides hört sich anders an. Je nach dem wie es sich anhören soll, muss ich meine Satzzeichen wählen. Aber es gibt immer eine Variante die auch regelkonform ist. Davon bin ich jedenfalls überzeugt.

LG Sam
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Der ist offline! 16 Mär 2014 12:27 #195

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Hallo Samanter!

Ein guter Hinweis, den Satz auch einmal umzustellen. Den werde ich wohl beherzigen.

hunderte, tausende:
Der Duden erlaubt sowohl die Großschreibung als auch die Kleinschreibung. Allerdings favorisiert er die Großschreibung.

Ich mache es wie du, als Substantiv ==> Großschreibung. Als Adjektiv ==> Kleinschreibung.

Mag es auch falsch sein, so erscheint es mir zumindest logisch.

Der Pons macht es so:
Damals waren einige tausend beim Konzert. (Der Duden will hier die Großschreibung.)

Na ja, es sollte ja auch nur als Beispiel dienen. Es gibt ja noch so wahnsinnig viele Stolpersteine, die kann man gar nicht alle umgehen.

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Der ist offline! 16 Mär 2014 12:52 #197

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Damals waren einige tausend beim Konzert. (Der Duden will hier die Großschreibung.)

M. E. n. wäre die Großschreibung auch richtig, weil ...

"Damals waren einige Tausende beim Konzert." Aber "Damals waren einige tausende Fans beim Konzert." Dass hier aus umgangssprachlichen Gründen das "e" weggelassen wurde, ändert nicht die Regel.
Na ja, es sollte ja auch nur als Beispiel dienen. Es gibt ja noch so wahnsinnig viele Stolpersteine, die kann man gar nicht alle umgehen.

Wenn du das könntest wärst du ein absolutes Genie. Alle Regeln beherrschen und verstehen kann nämlich niemand, nicht einmal die die sie geschaffen haben. Deshalb gibt es auch so viele Regeln die sich untereinander widersprechen. "Viele Köche verderben den Brei." Für dieses Sprichwort gibt es wohl keinen besseren Beweis als die deutsche Rechtschreibung.

LG Sam
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Der ist offline! 16 Mär 2014 13:00 #198

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tatwort schrieb:
... Zum Beispiel Aussagen wie: Eine nicht enden wollende Masse hunderter (tausender, etc.) Soldaten quälten sich die Straße entlang. Der Duden will hunderte, tausende usw. groß scheiben. Pons sagt, man soll solche Angaben grundsätzlich klein schreiben.
Vermutlich hat dir ein Schreibprogramm den Quatsch eingerdet? Wie Samanter es bereits sagte, geht es um die Frage, ob das Wort als Adjektiv oder Substantiv verwendet wird. Aber das ist mittlerweile eh klar. Wie gesagt sind diese integrierten Duden weit davon entfernt, einem Sicherheit geben zu können. Im Gegenteil: Man verlässt sich irgendwie darauf und ist dann verwirrt, wie du es erlebst.

Ich finde es wichtig zu verinnerlichen, dass keine Software der Welt es schafft, das was man schreibt, großartig zu verbessern. Irgendwie ist schreiben wie Tod und Geburt: Man ist dabei alleine. Es ist eine riesige Verlockung - und ich finde das mega-unfair! - von einem Programm zu sagen, dass es dabei hilft, Geschichten besser oder großartig fehlerfreier zu schreiben. Bei Patchwork habe ich das zum Beispiel auch gar nicht versucht. Ja, ich habe zum Beispiel die Stilhilfe eingebaut, weil ich sie eine lustige Sache finde, aber wirklich hilfreich finde ich speziell dieses Feature eigentlich nicht, sondern ganz andere. Und zwar vor allem den ganzen Organisations-Krimskrams, der mit unseren Geschichten zusammenhängt, unter einen sauber aufgeräumten Hut zu bringen.

Samanter schrieb:
Der einzige Unterschied besteht daran, dass beim Schreiben technisches Wissen und Fertigkeiten eben nicht reichen sondern auch Talent von Nöten ist. Das aber kann man auch mit noch soviel Fleiß nicht erlernen. Anderseits fühlt man sich nicht ernsthaft zu etwas berufen, wenn man absolut kein Talent dafür hat. Oder gibt es so etwas?
Ich glaube nicht, dass zwischen dem Schreiben und Malen oder Musizieren und anderer Kunst ein großer Unterschied ist. Die einen behaupten, Kunst käme von können und ich stelle dem entgegen, dass Kunst gleichermaßen vom künden kommt, also davon,etwas zu vermitteln. Also etwas dem Leser, Betrachter, Zuhörer zu künden, wofür sosohl Inhalt als auch Darreichungsform ausschlaggebend sind.

Und ja, freilich gibt es das dringende Bedürfnis, etwas zu künden und das Talent dazu fehlt. Denn es sind bei jeder Kunst zwei Seiten zu sehen: Der sie macht und der sie dann inhaliert. Talent ist die natürliche Fähigkeit, sag ich jetzt mal, das, was man künden möchte, von Natur aus so aufbereiten zu können, dass es beim Empfänger auf möglichst große Resonanz trifft. Und das wiederum wird dann geschehen, wenn man beim Empfänger Bilder erstehen lassen kann. Und genau da kommt das Handwerk ins Spiel. Denn für das passende Ankommen gibt es Kriterien: Es soll nicht holpern (Rhythmus), es soll zum Gegenüber fließen (keine zu heftigen Verschachtelungen), es soll das Gegenüber zum Erleben ermutigen (show, don't tell) usw. Dabei natürlich immer unter der Einschränkung, dass man nicht etwas ganz Bestimmtes damit bezweckt.

Auch glaube ich, dass ›Talent‹ sehr viel mit Zuhörenkönnen zu tun hat. Denn ich kann mich nur in die Seele eines Menschen schreiben, dessen Seele ich kenne. Okay, jetzt aber Ende dazu, das ist nämlich ein Buchthema ...

Samanter schrieb:
Eine Regel die ich aber nur noch auswendig lernen und stur anwenden kann geht für mich gar nicht. Ganz ehrlich, beim sturen Erlernen und Anwenden von trockenen Definitionen, wie virtuos auch immer, geht mir einfach meine Kreativität ab. Beim Zusammenspiel von Logik UND Gefühl kann ich mir wenigstens noch etwas davon erhalten.
Ja klar. Die gute Nachricht dabei: Bei der Sprache ist im Allgemeinen beides vorhanden, da sich trotz NDR Sprache entwickelt hat. Ich selbst lerne gar nichts auswendig, das war noch nie meine Stärke. Für sowas mach ich mir Patchwork mit der Orthografischen Bibliothek, in die ich solche Sachen, die nicht in den Kopf wollen reintue und immer wieder nachschlage. Neuronale Verknüpfung geht nicht nur durch Hineinprügeln, sondern auch durch sanftes Wiederholen.

Samanter schrieb:
Zum Beispiel: Und, was meinst du?
Hier nicht mehr, weil da lt. Regelwerk tatsächlich kein Komma hingehört und die Pause deshalb anders (mit regelkonformen) Satzzeichen ausgedrückt werden kann. Nämlich so: Und? Was meinst du? Oder auch so: Und ... Was meinst du? Beides hört sich anders an. Je nach dem wie es sich anhören soll, muss ich meine Satzzeichen wählen. Aber es gibt immer eine Variante die auch regelkonform ist. Davon bin ich jedenfalls überzeugt.
Ich stimme dir insofern zu, als man versuchen sollte, sich innerhalb der Regeln zu bewegen, keine Frage. Und das sollte auch nur ein Beispiel sein. Trotzdem klingt ›Und, was meinst du?‹ anders als deine angebotenen Varianten, die deshalb nicht als regelkonformen Ersatz betrachte. Nur eine Nuance. Aber eine Nuance ...

Generell sind Regeln lediglich eine Hilfestellung für noch nicht so Geübte! Und sie sind sehr wichtig auf dem Weg zur Virtuosität! Aber trotzdem darf man m.E. den Spruch ›Ausnahmen bestätigen die Regel‹ nicht vergessen.

Ein interessantes Beispiel werden die Kurzgeschichten von Daniel Anderson sein, die demnächst heruaskommen werden: Er verwendet keine Anführungszeichen für die direkte Rede. Spannend! Da werden wir eine menge zu diskutieren haben
;-)
Liebe Grüße
Martin
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